Die angeforderte Unterseite konnte nicht gefunden werden. Wahrscheinlich wurde sie gelöscht oder hat nie existiert. Vielleicht hat sie sich aber auch selbstständig gemacht und ist nun irgendwo im Internet als Hauptseite unterwegs. Falls ja, wünschen wir ihr an dieser Stelle recht viel Glück und Erfolg. Zurück zur Startseite.
Eventuell bist Du aber auch ober einen Link von www.xtown.net hierher gekommen, der auf den alten Text „Neongrau“ von mir verweist. Dieser ist übrigens in der 12. Ausgabe des Magazins „FreiDenker“ erschienen und ich möchte ihn Dir natürlich nicht vorenthalten.
NEONGRAU
Jetzt, in Zeiten des Mangels und der Weltwirtschaftskrise, muss ich oft an die deutsche Teilung denken, als ich noch kein Europäer, sondern ein stinknormaler Ossi war. Bereits im Alter von drei Jahren war mir klar, dass ich Künstler werden wollte, und so war im Gegensatz zu den anderen kleinen Ostdeutschen das Erste, was ich sagen konnte, nicht „Mama“, „Papa“ oder „Es lebe die Partei“, sondern: „Ich wünsche mir einen Malkasten“. Meine Eltern staunten nicht schlecht über diese ersten Worte, doch ich staunte noch tausendmal mehr als ich meinen VARIO-Tuschkasten bekam und feststellen musste, dass die zwölf kleinen Töpfchen ausschließlich mit grauer Farbe gefüllt waren. Kein Blau, kein Rot, nur Grau. Es existiert die Legende, dass die Inuit in Nordkanada unzählige Begriffe für Weiß hätten. Wir Ossis in der Grau-Zone hatten tatsächlich mehrere hundert Bezeichnungen für Grau. Im Malkasten war Sonnengrau, Aschgrau, Nachtgrau, Topfgrau, Taubengrau, Palastgrau, Pioniergrau, Königsgrau, Weiß-Grau, Leningrau, Neutralgrau und natürlich Mauergrau. Daneben lagen noch zwei kleine Tuben – eine mit weißer und eine mit schwarzer Farbe. Damit konnte man sich noch weitere Grautöne mischen, falls einer der vorliegenden zu hell oder zu dunkel war. Mein Vater schüttelte den Kopf, als ich mit einem Pinsel und etwas Wasser die trockene Farbe aufweichte, und murmelte etwas von Mangel und scheiß DDR. Ich hingegen war motiviert und eifrig dabei den neuen Malkasten auszuprobieren und malte, was das Zeug hielt. Ich malte den ganzen Tag Straßen, Autos, meine Schule, meinen Plattenbau, Menschen, Züge, den Berliner Himmel und stellte fest, dass der Malkasten geradezu genial war, denn ich brauchte gar keine anderen Farben, die Sachen, die ich den ganzen Tag sah, waren doch auch grau. Ich benutzte noch nicht einmal die beiden Tuben um einen neuen Grauton zu mischen, denn die fertigen Abstufungen passten immer. Nur als ich einmal meine Zukunft malen wollte, musste ich zu Schwarz greifen. Ich wusste, dass meine Republik die leuchtenden bunten Farben für wichtigere Dinge brauchte. Das meiste Rot ging für die Fahnen unserer Bruderstaaten China und die Sowjetunion drauf, die bei jedem Appell zu leuchten hatten. Blau brauchte man um die ganzen FDJ-Hemden einzufärben und Grün für die „grünen Pfeile“, die bei uns an jeder Ampel hingen. Kurz nach der Wende versuchten viele VEBs es mit den Unternehmen aus dem imperialistischen Ausland aufzunehmen und zogen mit allerlei Verbesserungen der ostdeutschen Produkte nach. Da nun kein Rohstoffmangel mehr herrschte, konnten Schokolade mit Kakao, Fernseher mit Farbbildröhren und Klohbürsten mit Kunststoffborsten versehen werden. Auch der VEB VARIO versuchte durch einen vermeintlich klugen Schachzug den Betrieb vor dem Untergang zu retten und brachte 1989 ein Nachfülltöpfchen mit der Farbe „Neongrau“ auf den gesamtdeutschen Markt – leider vergeblich. Ich bin dann doch kein Künstler geworden, sondern habe auf Anraten meiner Eltern eine Banklehre gemacht. Nach der Finanzkrise Ende 2008 habe ich meinen Malkasten wieder rausgekramt, jedoch war in der Schwarztube kaum noch genug Farbe, um mir die kommenden Jahre auszumalen.